Von Diamanten & Geisterstädten – Etappe 6 unserer Abenteuerreise durch Afrika
Früher wurden in den Diamantenhochburgen Namibias rauschende Feste gefeiert. Heute versinkt die Geisterstadt Kolmanskop im Sand. Eine Reise zu einem Ort, an dem die Zeit still steht.
Schon einmal von der Stadt Aus in Namibia gehört? Wahrscheinlich nicht. Dieses Fleckchen Erde ist auf Landkarten so gut wie unsichtbar. Alleine die Ausfahrt nicht zu verpassen war schon ein Meisterstück. Zugegeben, Aus ist winzig und nicht gerade für einen Kultururlaub geeignet. Dennoch haben wir – eine Gruppe von neun Abenteuerlustigen, der Fahrer unseres Overlander Trucks, ein Koch und ich – uns bereits jetzt in die karge, felsige Szenerie und die unglaubliche Dünenlandschaft verliebt.
Aus befindet sich an den Ausläufern der Wüste Namib. Westlich erstreckt sich ein großes Diamantensperrgebiet, direkt dahinter der Ozean. Doch ist das Geschäft mit den edlen Steinen rund um die ehemalige deutsche Kolonialstadt Lüderitz seit fast einem Jahrhundert zum Erliegen gekommen. Unaufhaltsam versandend zeugen nur noch die Geisterstädte Kolmanskop, Elizabeth Bay und Pomona vom Diamantenrausch. Sie erzählen eine Geschichte von verflossenem Reichtum und von kleinbürgerlicher deutscher Spießigkeit.
Der Schatz aus den Drakensbergen
Es war 1908, als ein Bahnarbeiter bei dem Versuch, die Gleise vom Flugsand zu befreien, auf einen merkwürdigen harten Kiesel stieß. Als sich dieser bei näherer Betrachtung als Diamant entpuppte, läutete dies einen großen Diamantenrausch in der Gegend rund um Lüderitz ein.
Die Diamanten in Namibia gelten als die schönsten und reinsten der Welt. Sie werden nicht in Minen abgebaut, sondern rund 2000 Kilometer weit vom Meer herangespült – und dabei geschmirgelt, geschliffen und geformt. Der Oranjefluss trägt die Kleinode von ihrem Ursprungsort, den Drakensbergen, bis in den Atlantik. Dort werden sie von der Strömung bis in die Region rund um Lüderitz geschwemmt. Die robustesten und reinsten der Diamanten – diejenigen, die ihre weite Reise gemacht haben ohne zu zerbrechen – lagern sich dort im Sand an. 70.000 Karat wurden im Jahr 1909 aus den Dünen geborgen. Das entspricht einem Fünftel der damaligen Weltproduktion. So avancierte die ursprünglichen Behelfssiedlung Kolmanskop zeitweise zur wohlhabendsten Kleinstadt Afrikas und bot dabei alles, was das deutsche Siedlerherz begehrte – Elektrizität, Tanzveranstaltungen und (gegen das Heimweh?) sogar eine Kaiser-Wilhelm-Allee.
Ausflug in die Geisterstadt Kolmanskop
Doch nach dem Ende der deutschen Kolonialherrschaft (und der Entdeckung ertragreicherer Diamantenfelder an der Mündung des Oranje-Flusses) versank die Stadt in der Bedeutungslosigkeit. Und im Sand: Wehrlos gegen die unaufhörlich wachsenden Dünen fristen ausrangierte Badewannen und steinzeitlich anmutende Kühlschränke hier ihr trauriges Dasein. Eine lokale Touristenführerin leitet uns über Krämerläden und Kegelbahnen bis hinein in längst verlassene Häuser. Ein bizarrer Anblick sind die uralten Sportgeräte im Turnverein. Barren, Reck und andere schulzeitliche Foltergeräte warten unbeirrt auf eine niemals stattfindende nächste Leibesübung.
Die Touristenführerin erklärt uns alles über Aufstieg und Niedergang der heutigen Geisterstadt Kolmanskop. Über die baulichen Besonderheiten der von deutschen Architekten entworfenen Siedlung und das Alltagsleben der deutschen Kolonialisten. Zumindest vermuten wir das, denn aus ihrer wilden Mischung aus Afrikaans, Englisch und einer undefinierbaren Komponente (Deutsch?), können wir beim besten Willen kein Wort heraushören. Nur der Satz „Aber komm, wir gehen weiter“, mit dem sie uns fröhlich von Haus zu Haus scheucht, ist zu erkennen. Wir knipsen Fotos und grinsen. Dieser Satz wird uns als geflügeltes Wort in den kommenden Wochen unserer Abenteuerreise durch Afrika begleiten.
15 Minutes of Fame in Lüderitz
Wir fahren weiter nach Lüderitz, ebenfalls eine ehemalige Diamantenhochburg. Eigentlich wollen wir etwas zu Essen einkaufen, entscheiden uns jedoch erst einmal für eine gemütliche Tasse Kaffee. Ein Fehler, denn als wir den Supermarkt erreichen, hat er geschlossen. Damit wir nicht mit knurrendem Magen ins Bett gehen, müssen Koch Philani und Fahrer Q improvisieren. Während sie sämtliche Läden in der Umgebung abklappern, laden sie uns zum Schwimmen am Meer ab.
Und wir? Wir wagen uns nicht nur ins 19 Grad kalte Wasser, sondern werden obendrein berühmt. Denn plötzlich stürmt ein Moderator samt Kameramann und Tontechniker auf uns zu. Sie wollen uns unbedingt für ein Interview gewinnen. Wer hätte gedacht, dass wir unsere 15 Minutes of Fame gerade in dieser verlassenen Gegend Namibias haben würden
Übrigens waren Philani und Q erfolgreich – und wir sind doch noch an ein leckeres Abendessen gekommen.
Erfahre wie es auf der nächsten Etappe weitergeht!
Etappe 6: Unterwegs in die Geisterstadt Kolmanskop
Dein Afrika-Autor
Patrick Sinclair